100 Tage Gemeindevertretung

In wenigen Stunden hat die neue Gemeindevertretung die, für Journalisten bedeutsame, 100-Tage-Marke geknackt. Bevor uns die internationale Presse in der Luft zerreißt und Reporterteams von Rundfunk und Fernsehen Reddelich belagert, werde ich mal lieber selbst ein kleines Resümee verfassen.

Die Arbeitsfähigkeit der GV war nach der Wahl vor Ablauf der, in der Kommunalverfassung verankerten, 6-Wochenfrist, durch ihre Konstitution, hergestellt. Auch die Ausschüsse haben sich konstituiert und ihre Vorsitzenden gewählt. Die Zahl der beratenden Ausschüsse wurde, als Erster nicht von außen beantragter Beschluss, auf zwei reduziert. Bau- und Sozialausschuss haben beide bereits bewiesen, dass sie nicht nur Empfehlungen für gestellte Anträge erarbeiten können, sondern durchaus auch eigene Themen aufgreifen und zur Beschlussreife bringen. Einen guten Auftakt zu guter Ausschussarbeit hat der Ausschuss für Schule, Jugend, Kultur und Sport, wie der Sozialausschuss in voller Länge heißt, geliefert.

Wie weiter mit den Spielplätzen?
Die Gemeinde hatte Mängel auf den von ihr betriebenen Spielplätzen abzustellen, die eine TÜV-Kontrolle im Frühjahr ergaben. Auch ohne förmliche Abstimmung war in der GV schnell Konsens über einen Weiterbetrieb der drei gemeindeeigenen Spielplätze hergestellt . Der Sozialausschuss übernahm es, den gegenwärtigen Zustand zu analysieren, den Bedarf an Spielgeräten zu ermitteln und eine Kostenschätzung zur Einarbeitung in den Gemeindehaushalt 2015 zu erarbeiten. Diese Aufgabe hat er effizient, kompetent und ausgewogen erledigt. So stelle ich mir Ausschussarbeit vor! Über die Ergebnisse wird das Sozialausschussmitglied „Ihres Vertrauens“ auch interessierten Bürgern gerne informieren. Meine Aufgabe ist es nun, die Umsetzung zu organisieren, was allerdings so seine Zeit braucht.

Themen, die neben laufenden Anträgen durch die Ausschüsse bearbeitet wurden oder noch werden, sind unter anderem:

  • Die Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED und ihre Optimierung.
  • Der zukünftige Umgang mit Werbeträgern in der Gemeinde, insbesondere bei Laternenwerbung.
  • Die Analyse und Kartierung des Zustandes der gemeindeeigenen Straßen und Wege zur Ermittlung des Instandsetzungsaufwandes.
  • Die Debatte über eine künftige Ausweisung von Wohngrundstücken in Reddelich.

Zu Letzterem gibt es permanent Anfragen von Interessenten, die gerne nach Reddelich ziehen möchten. Mit den wenigen Privateigentümern von Grundstücken mit Baurecht werden Kaufwillige offensichtlich nicht handelseinig.

Anders dagegen ist die Situation im Gewerbegebiet.
Auch dort gab es Anfragen für reservierte Grundstücke. Den Interessenten konnte ich noch akzeptable Alternativen anbieten. Derzeit sind dort 10 Grundstücke reserviert. Reserviert bedeutet, dass der Gemeinde Kaufanträge vorliegen, die sich in verschiedenen Phasen der Abwicklung befinden.
Die Erlöse aus diesen Verkäufen kommen dem Gemeindehaushalt zugute – keine Frage. Nur nützen diese der Gemeinde nicht viel. Sie helfen unser Haushaltsdefizit abzubauen, bewirken jedoch keinen nachhaltig ausgeglichenen Gemeindehaushalt.

Was haut uns haushaltstechnisch die Beine weg?
Das Jahr 2014 wird als haushaltsrechtliche Zäsur in die Gemeindechronik eingehen. Seit diesem Jahr steht fest, die Gemeinde Reddelich hat keine Chance, mittelfristig und bei der derzeitigen Gesetzgebung ihren Haushalt auszugleichen. Dabei sind wir im Vergleich gar nicht so schlecht aufgestellt. Mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von etwa 2.000,- € stehen wir vergleichsweise gut da und im Bereich Gewerbe sind wir quantitativ gut und vielseitig aufgestellt.
Aber von 2013 zu 2014 wurde die Umlage für den Landkreis von 200.000,- € auf 250.000,- € angehoben. Interessanterweise finanziert der Landkreis mit der Umlage – also unserem Geld – Projekte, die wir wegen der laufenden Haushaltskonsolidierung nicht finanzieren dürfen. Der Landkreis gibt über 5 Millionen Euro jährlich für freiwillige Leistungen aus. Uns gestattet die Kommunalaufsicht 200,- € für Repräsentationszwecke – gleichfalls pro Jahr!
Auch finanziert der Landkreis seine Investitionen aus seinem laufenden Haushalt. Vereinfacht ausgedrückt kann man also sagen, mit einem guten Teil unserer Schulden von 1,8 Millionen Euro finanzieren wir Straßen, Brücken, Radwege, Bürogebäude, Anlagevermögen der Gymnasien, Dienstwagen … Die Investitionsliste des Kreishaushaltes umfasst über 200 Einzelpositionen.

Ein großer Posten im Gemeindehaushalt ist die Amtsumlage, mit der wir die Verwaltung der Gemeinde bezahlen. Diese wurde 2014 von 74.200,- € auf glatte 100.000,- € angehoben. Auf die Höhe der Umlage hat das Amt selbst auch keinen Einfluss. Diese wird vom Land MV festgelegt.
Die 95.000,- €, die wir für den Gemeindeanteil an Kinderbetreuung und die 44.000,- € für Beschulung sind auch nicht von Pappe – wie der Volksmund sagt. Diesen Ausgaben stehen allerdings 35.000,- € gegenüber, die wir als Familienleistungsausgleich für Kinderbetreuung in der Gemeinde bekommen. Diesen Teil unseres Haushalts, der Betreuung und Ausbildung unserer Kinder betrifft, sehe ich als gute Investition an. Wir sind stolz darauf, eine junge Gemeinde zu sein und möchten das auch bleiben. Daher wird mir, bei diesen Kosten, kein Wort des Jammerns über die Lippen kommen.

Die aufgeführten 454.000, € gesetzlich vorgeschriebener Ausgaben machen den Löwenanteil unseres Haushaltes von knapp 900.000,- € aus. Die schlechte Nachricht für uns ist: Die drastische Anhebung der Umlagen hat – für die Nutznießer – gut funktioniert. Das wird sich irgendwann wiederholen. Da können wir strampeln, wie wir wollen, aus diesem Dilemma kommen wir nicht heraus.

Was bedeutet das nun für die Gemeinde Reddelich?
Aufgaben wie:

  • Unterhaltung der gemeindeeigenen Straßen und Wege,
  • Pflege der Gemeindegrundstücke
  • Unterhaltung von gemeindeeigenen Gebäuden,
  • Straßenbeleuchtung
  • Finanzierung der Feuerwehr
  • Unterhaltung der Gemeindespielplätze,
  • Bauleitplanung und andere Konzeptionsplanungen oder gar
  • sinnvolle und notwendige Investitionen,

werden wir künftig immer weniger aus dem Gemeindehaushalt finanzieren können. Da gilt es, andere Wege zu finden. Das Wort „Naturalwirtschaft“ werde ich in diesem Zusammenhang lieber nicht in den Mund nehmen. Aber wenn ich mir das Spektrum der Gewerbe in der Gemeinde anschaue, sehe ich durchaus viel Potenzial.

Ein anderes Stellrad der Gemeindefinanzen – die Steuereinnahmen – werden wohl auch nicht unangetastet bleiben. Die Kommunalaufsicht hat bereis eine härtere Gangart bei der Genehmigung von kommunalen Haushalten angekündigt. Wer die aufgeführten Beträge durch 911 – die aktuelle Einwohnerzahl der Gemeinde – teilt, kann schnell die Größenordnungen erahnen, um die es „pro Nase“ geht.

Der Fairness halber möchte ich aber auch anmerken, dass wir durch Zuweisungen des Landes MV auch Nutznießer des Umlagesystems sind. Auch erfüllen der Landkreis und das Amt essenzielle Aufgaben für uns. Da kann man sicher über die Höhe der Aufwendungen streiten nicht jedoch über diese als solche.
Wo ich gerade „beim Amt“ bin:

Wie gestaltet sich das Verhältnis der Gemeindevertretung zum Amt Bad Doberan-Land?
Wenn ich es in einem Satz ausdrücken müsste: Wir lernen noch voneinander. Gut, dass Internetseiten geduldig sind. Daher kann ich weiter ausholen. Das Wir auf eine professionelle Verwaltung angewiesen sind steht außer Frage und eine Alternative gibt es nicht wirklich. Doberan und Kröpelin haben zwar schon Wünsche geäußert, mit wem diese gerne kommunal fusionieren würden und Reddelich steht nicht auf der Liste. So richtig enttäuscht kann ich darüber aber nicht sein, wenn ich mir die Entwicklung der beiden Städte so anschaue. Mit deren Sorgen möchte ich nicht tauschen.

Reibungspunkte zwischen der politischen Vertretung der Gemeinde und der Verwaltung sind systemimmanent und nicht per se etwas Schlechtes. Entscheidend ist eine sachlich konstruktive Bewältigung von Dissonanzen und der respektvolle persönliche Umgang. Da sehe ich für die Zukunft wenig Probleme.

In der Rückschau konstatiere ich auch Fehler. Den Ersten habe ich bereits in der konstituierenden GV-Sitzung gemacht. Ein simpler Flüchtigkeitsfehler bei der Auszählung des Wahlergebnisses für den stellvertretenden Bürgermeister. Eine aufmerksame Bürgerin wagte einen Zwischenruf, den ich dankbar aufnahm. Die Wiederholung der Abstimmung heilte den Lapsus.
So stelle ich mir die Zusammenarbeit mit den Bürgern von Reddelich & Brodhagen vor: interessiert und unkompliziert. Für gelungene Kommunikation gibt es viele Beispiele. Da stört es mich auch nicht, wenn ich über eine Angelegenheit mehrfach informiert werde. Auch muss niemand mit seinem Anliegen bis zu nächsten Sprechtag warten. Meine Telefonnummer (42743) habe ich öffentlich gemacht. Während meiner Abwesenheit sorgt ein Anrufbeantworter dafür, dass nichts Wichtiges vergessen wird. E-Mail oder der gute alte Papierbrief werden von mir garantiert beantwortet und bei komplexeren Themen vereinbare ich gerne Termine für klassische „Mehraugengespräche“.

Ulf Lübs
Bürgermeister der Gemeinde Reddelich